Nachdem hier und teilweise auch in anderen Unterforen allerhand RAW-Konvertierungssoftware empfohlen wird und man auch sonst im Internet teilweise widersprüchliche Informationen zur Qualität dieser Software findet, habe ich inzwischen einiges ausprobiert, wobei schließlich als meine persönlichen Favoriten RAW Therapee (RT) und Adobe Lightroom (LR) übrig geblieben sind. Zwischen den aktuellen Versionen dieser beiden Programme (RT Version 2.4 Beta, LR Version 2.3) habe ich einen kleinen "Vergleichstest" gemacht, dessen Ergebnisse ich hier vorstellen möchte.
Alle hier gezeigten Bilder wurden mit einer Powershot A710IS mit CHDK im DNG-Format aufgenommen. Das jeweils gleiche RAW-Bild wurde einmal mit RT und einmal mit LR konvertiert, dabei wurden alle Einstellungen (Helligkeit, Kontrast, Schärfe) so gewählt, dass die Ergebnisse möglichst ähnlich waren.
Hinweis: Die nachfolgenden Bilder sollten sinnvollerweise in voller Vergrößerung betrachtet werden.
Der Bildausschnitt ist 3-fach vergrößert, wenn man ihn in voller Auflösung betrachtet. Wenn man die waagerechten Fensterstreben links im Bild näher ansieht, erscheinen diese bei RT teilweise "gepünktelt", ebenso rechts im Bild die waagerechte Strebe des schwarzen Geländers. Bei LR gibt es dieses Problem nicht. Ebenso erscheinen die schrägen Streben der oberen, runden Fensterteile bei LR deutlich glatter als bei RT. Die Hauswand hat Strukturen, die bereits in der Größenordnung der Pixelauflösung liegen. Dies führt bei beiden Programmen zu Artefakten, die bei RT insgesamt natürlicher wirken.
Dieser Bildausschnitt ist bei voller Auflösung 2-fach vergrößert. Besonders in der Umgebung von Glanzlichtern, z.B. bei der grünen Leuchtreklame ganz oben links, der roten Lampe und der orangen Leuchtreklame darunter und auch rechts oben sieht man, dass solche Glanzlichter bei RT zu deutlich erkennbaren Artefakten führen. Auch der blaue Motorroller unten rechts erscheint bei LR glatter und natürlicher. Wenn man genau hinsieht, erkennt man auch, dass die dunkle Tür in der Bildmitte bei LR weniger verrauscht erscheint.
Hier zur Abwechslung mal ein Gartentor in 3-facher Vergrößerung. Die Unterschiede zwischen den beiden Bildern sind diesmal nicht so augenfällig. Der Rosenstrauch erscheint bei RT etwas mehr "gesprenkelt", bei der Hecke rechts könnte man sich einbilden, dass RT etwas mehr Details zeigt, könnten aber auch Artefakte sein.
Nun aber genug der Details, deshalb ist diesmal der Bildausschnitt um Faktor 2 verkleinert. Der wesentliche Unterschied ist in den überstrahlten Bereichen der gelben Blüten auszumachen. Für solche überbelichteten Bereiche bieten beide Programme eine Funktion "Lichter wiederherstellen" an. Bei RT kann man auswählen, ob nur die Luminanz wiederhergestellt werden soll oder auch die Farbe (letzteres funktioniert in dieser Betaversion noch nicht richtig). Bei LR wird offenbar grundsätzlich die Farbe wiederhergestellt.
Mit RT wurde nun die Luminanz wiederhergestellt. Dies führt in den überstrahlten Bereichen dazu, dass die Farbsättigung geringer wird, d.h. diese Bereiche werden umso blasser, je heller sie sind. Das hört sich ungünstig an, ist es aber in diesem Fall nicht. In Wirklichkeit waren die Blütenblätter nämlich seidig-glänzend, so dass die Reflexion des Sonnenlichts tatsächlich in den ganz hellen Bereichen zu einer Verringerung der Farbsättigung führte. Bei RT wir dieser Effekt ziemlich gut wiedergegeben, da diese hellsten Bereiche einen Blauanteil von fast 50 % enthalten. Bei LR dagegen erscheinen diese Bereiche unnatürlich als 100 % gesättigtes Gelb ohne Blauanteil. Leider gibt es in LR anscheinend keine Möglichkeit, diese Übersättigung komplett zu verhindern. Zwar kann man durch Verringern der "Sättigung" und Erhöhen der "Lebendigkeit" einen ähnlichen Effekt erreichen, aber dadurch wird auch das restliche Bild beeinflusst.
Hier ist zum Schluss noch ein (stark verkleinertes) Bild, das extreme Helligkeitsunterschiede aufweist. Ganz links das JPG ist in den hellen Bereichen etwas überbelichtet, dunkle Bereiche verschwinden im Schwarz, aber selbst mittelhelle Bereiche (wie z.B. die Vertäfelung oben) zeigen kaum noch Farbe. Das Bild wurde einmal mit RT (Mitte) und einmal mit LR (Rechts) so bearbeitet, dass ein möglichst realistischer Bildeindruck erzielt wird. Das Bild ist bei LR insgesamt etwas heller, dafür werden ganz dunkle Ecken bei RT stärker aufgehellt. Gerade in diesen ganz dunklen Ecken zeigt sich bei RT jedoch ein Problem. Die nachfolgende Ausschnittsvergrößerung zeigt die Ecke ganz rechts im Bild als 100 % Vergrößerung.
Hier also die Ecke ganz rechts in der Mitte, wieder links das JPG, in der Mitte RT und rechts LR. Während das JPG ganz hinten weder Farben noch Helligkeitsunterschiede zeigt, sind sowohl bei RT als auch LR noch recht gut Details zu erkennen. Bei RT zeigt sich jedoch gerade im dunkelsten Bereich starkes Rauschen, das allerhand helle (hauptsächlich rote) Pixel zur Folge hat. Dadurch wirkt dieser Bereich fast heller als die Umgebung. Bei LR ist zwar natürlich auch Rauschen zu erkennen, aber keine derart störenden farbigen Pixel. Offenbar hat RT bei starker Aufhellung ein Problem, ganz dunkle Bereiche sinnvoll umzusetzen. Natürlich handelt es sich bei diesem Bild um einen Extremfall, trotzdem habe ich beobachtet, dass sich das Problem auch bei einem "normalen" Foto bemerkbar macht, wenn man dunkle Bereiche etwas stärker aufhellt.
Demosaik-Algorithmen
Die bei RT erkennbaren Artefakte werden durch den "Demosaik"-Algorithmus verursacht, der beim Einlesen das Bild so umrechnet, als ob der Sensor für jeden Farbkanal die volle Pixelzahl hätte (also z.B. bei einer 8-Megapixel-Kamera auf 3x 8 Megapixel). Bei RT kann man unter 3 verschiedenen Algorithmen wählen (HPHD, EAHD, VNG-4), wobei HPHD mit der A710IS die besten Ergebnisse erzielt, bei EAHD gibt es geringfügig mehr Artefakte, VNG-4 ist für diesen Sensortyp weniger geeignet. Offenbar funktioniert keiner dieser drei Algorithmen für CHDK perfekt. Bei LR sind ebenso wenige Artefakte zu sehen wie bei dem durch die Kamera erzeugten JPG. Noch weniger dürfte kaum machbar sein.
Wertung und Fazit:
Bzgl. der Artefakte bei der Detailwiedergabe hat LR also eindeutig die Nase vorn. Allerdings sollte man dies nicht überbewerten. Bereits bei einem Vergrößerungsfaktor von 100 % (1 Bildschirmpixel = 1 Kamerapixel) fallen diese Artefakte kaum noch auf, wenn man nicht speziell darauf achtet. Damit stellt sich das Problem in der Praxis (wenn überhaupt) eher bei Ausschnittsvergrößerungen oder großformatigen Abzügen.
Das im Bild mit der Sumpfdotterblume gezeigte Problem mit übersättigten Glanzlichtern stellt sich sicher nur im Extremfall, und wenn ich nicht den Direktvergleich gehabt hätte, hätte ich mir wahrscheinlich gar nichts dabei gedacht. Aber eigentlich sollte es für Adobe nicht so schwer sein, dieses Problem durch eine zusätzliche Einstellmöglichkeit zu lösen.
Die Aufhellung sehr dunkler Bereiche stößt bei RT irgendwann an ihre Grenzen - ich hoffe, dass die Autoren von RT dies noch verbessern, da ich keinen Weg gefunden habe, dieses zu vermeiden.
Wenn ich bedenke, dass Adobe für LR immerhin ca. satte 300 EUR verlangt (was bei manchem CHDK-Nutzer den Preis der Kamera übersteigen dürfte), während RT kostenlos (freiwillige Spende) zu haben ist, muss ich sagen, dass die Unterschiede doch recht gering sind. Auch bzgl. der Bedien- und Einstellmöglichkeiten sind beide Programme sehr ähnlich.
Noch ein Hinweis zum Schluss: Gerade bei Demosaik-Algorithmen hängt das Ergebnis stark von den Eigenschaften des Kamera-Sensors ab. Die Kompakt-Kameras von Canon dürften sich diesbezüglich nicht allzu sehr unterscheiden, die Ergebnisse dieses Tests sind aber sicher nicht ohne weiteres auf andere Fabrikate oder DSLRs übertragbar.
Gruß
elektronikfreak