Delphin hat geschrieben:...Ich hatte mir eigentlich mehr von der Bearbeitung der RAW-Dateien versprochen.
Ich glaube, das ist genau der Punkt - man muss sich erst mal klarmachen, was man von der RAW-Entwicklung (im Vergleich zum JPG) erwarten kann und was nicht.
Außerdem muss man berücksichtigen, dass das JPG aus der Kamera mehr auf ein gutes Erscheinungsbild optimiert ist als auf möglichst wirklichkeitsgetreue Wiedergabe. Für die Farben heißt das, dass die Farbsättigung meist etwas erhöht ist. Zur Verbesserung der Schärfe werden nicht einfach nur feine Strukturen scharfgezeichnet (dies würde das Rauschen erhöhen), sondern die Software versucht Kanten und Strukturen im Bild zu erkennen, um speziell diese scharf herauszuzeichnen. In vergrößerter Ansicht erscheint die Kontur heller Objekte dadurch oft wie mit einer dunklen Linie außen herum nachgezeichnet. Ähnlich ist es bei der Rauschunterdrückung, die versucht, einfarbige Flächen und allmähliche Tonwertübergänge zu erkennen und dort das Rauschen zu unterdrücken, während scharfe Konturen verschont bleiben.
Dies alles führt dazu, dass das JPG auf den ersten Blick sehr scharf, knackig und trotzdem fast rauschfrei erscheint.
Das Ganze hat aber, wenn man wirklich genau hinsieht, seinen Preis: feine, kontrastarme Strukturen erscheinen oft "verschmiert", weil die Software sie für Rauschen hält, einzelne, kontrastreiche Strukturen werden durch die Schärfung unnatürlich überzeichnet. Ob das ein Problem ist oder nicht, hängt natürlich stark vom Bildinhalt ab.
Aus meiner Sicht kann man mit RAW-Beabeitung vor allem in folgenden Fällen deutliche Verbesserungen erzielen:
- Wenn Details im JPG überzeichnet oder verwischt erscheinen
- Wenn das JPG (leicht) überbelichtet ist
- Wenn dunkle Bildpartien "absaufen" (ganz schwarz erscheinen)
- Wenn der Weißabgleich danebengegangen ist
Bei einem gut gelungenen JPG ist es dagegen kaum möglich, durch RAW-Entwicklung große Verbesserungen zu erzielen. Im Gegenteil, oft erfordert es schon einige Mühe, auch nur an das JPG-Ergebnis heranzukommen.
Außerdem sollte man im Hinterkopf behalten, dass auch der benutzte RAW-Konverter eine durchaus relevante Rolle spielt. Das betrifft vor allem den Demosaik-Algorithmus. Dieser hat folgende Aufgabe:
Bei einem Sensor mit z.B. 7 MPixel ist dies die Summe der roten, grünen und blauen Pixel, also bei gleichmäßiger Aufteilung nur 2,33 MPixel pro Farbe. Beim fertigen Bild soll aber jedes Pixel jede beliebige Farbe annehmen können. Am einfachsten wäre es, immer drei Sensorpixel (rot, grün, blau) zu einem Bildpixel zusammenzufassen, aber dann hätte das Bild eben nur 2,33 MPixel. Um dennoch auf 7 MPixel zu kommen, muss man die Helligkeit und Farbe für jeden Bildpunkt aus den benachbarten Pixeln schätzen. Das kann bei feinen Strukturen, z.B. bei Linien, die nur 1 oder 2 Pixel breit sind, sehr schwierig sein, zumal gerade bei Kompaktkameras auch noch Rauschen im Spiel ist. Schräge Linien erscheinen dann oft treppenartig, oft sieht man auch schachbrettartige Hell/Dunkel-Muster, wenn man genau hinsieht. Dies soll der Demosaik-Algorithmus möglichst verhindern.
Ich habe mal Lightroom mit RawTherapee verglichen, dabei kam heraus, dass zumindest mit der A710IS alle in RawTherapee verfügbaren Demosaik-Algorithmen deutlich schlechtere Ergebnisse bringen als Lightroom, außerdem ist mehr Rauschen zu sehen. Solche Probleme machen sich natürlich verschärft bemerkbar, wenn man das Bild nachschärfen möchte.